Die Brüder/Schwestern beim Namen nennen

Darf man Geschwister öffentlich kritisieren oder muss man immer schweigen, selbst wenn Gefahr für Gottes Volk droht?

Die meisten Christen würden nichts dagegen einwenden, einen anderen Christen in der Öffentlichkeit lobend zu erwähnen. Wenn es allerdings darum geht, an einem Bruder, der sich Irr- oder Sonderlehren schuldig macht, öffentlich Kritik zu üben, hört man allzu oft die Aussage, dass dies ein unbrüderliches oder gar unbiblisches Fehlverhalten sei. Schnell wirft man mit einigen Bibelstellen um sich, um den kritischen Bruder wegen seiner Kritik zu kritisieren – und tut genau dasselbe, was man dem Bruder vorwirft.

In diesem Zusammenhang werden meistens zwei Bibelverse angeführt, um zu „beweisen,“ dass öffentliche Kritik unter Gottes Volk grundsätzlich zu unterlassen sei.

1. Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet

[ads_custom_box title=“Matthäus 7, 1.2″ color_border=“#e87e04″]Richtet (gr. KRINO) nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! Denn mit demselben Gericht, mit dem ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden; und mit demselben Maß, mit dem ihr [anderen] zumesst, wird auch euch zugemessen werden[/ads_custom_box]

John MacArthur kommentiert diesen Vers mit folgenden Worten sehr treffend:

Wie aus dem Kontext hervorgeht, ist das kein Verbot jeglichen Urteilens (V.16). Es gibt ein gerechtes Urteilen, wenn wir sorgfältig und umsichtig vorgehen (Joh 7,24). Überkritische, pedantische, selbstgerechte und sonstige ungerechte Urteile sind verboten. Aber um die folgenden Gebote zu erfüllen, ist es nötig, Hunde und Schweine (V.6) von den eigenen Brüdern zu unterscheiden (V.3-5).1

Jesus sagt in Matthäus 7,1-2 nicht, dass ein Urteil über eine andere Person in jedem Fall unerlaubt sei, sondern er formuliert die Bedingungen, die einzuhalten sind, bevor man kritisiert:

[ads_custom_box title=“Matthäus 7, 3-5″ color_border=“#e87e04″]Was siehst du aber den Splitter im Auge deines Bruders, und den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht? Oder wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Halt, ich will den Splitter aus deinem Auge ziehen! – und siehe, der Balken ist in deinem Auge? Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, und dann wirst du klar sehen, um den Splitter aus dem Auge deines Bruders zu ziehen![/ads_custom_box]

Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, das ist Jesu Vorbehalt, bevor Kritik geübt werden darf. Hat sich jemand selbst geprüft und nun klare Sicht, dann mag er den Splitter aus dem Auge seines Bruders entfernen.

Bei diesem Jesuswort hat unser Herr wohl eher an charakterliche Schwächen und Fehlverhalten gedacht, spricht also folglich im Kontext zwischenmenschlicher Gemeinschaft. Menschen neigen dazu, sehr viel schneller die oft gleichen Fehler, die sie selbst haben, an anderen zu sehen und zu kritisieren. Die einfache Botschaft Jesu lautete: Wenn du Fehler bei einem anderen siehst, prüfe dich erst selbst, bevor du deinen Nächsten ermahnst. Ein selbstgerechtes Richten – „so etwas würde ich nie tun“ – ist auf jeden Fall nicht im Willen des Herrn. Somit scheidet diese erste Bibelstelle im Grunde aus, denn öffentliche Kritik an einer Lehre und der damit verbundenen Person, ist im Grunde weder selbstgerechtes Richten noch Kritik am Fehlverhalten einer Person und stellt keine Herabwürdigung dieser Person dar.

Im Ersten Brief des Paulus an die Korinther spricht der Apostel sogar davon, dass er ein Urteil gefällt hat über ein Gemeindemitglied, das in Unzucht lebt (1Kor 5,3) – das griechische Wort für ein Urteil fällen ist das gleiche Wort, das Jesus in Matthäus 7,1 verwendet (gr. KRINO). Und die Gemeinde zu Korinth ermahnt der Apostel gar,

[ads_custom_box title=“1. Korinther 5, 12″ color_border=“#e87e04″]die zu richten (gr. KRINO), die drinnen (in der Gemeinde)[/ads_custom_box]

sind.

Richten im Sinne zu einem Urteil kommen ist in Fragen der Gemeindezucht sogar geboten! Dies zeigt, wie differenziert man die Schriftstellen der Bibel lesen muss, ehe man sie unbedacht auf andere Situationen überträgt.

Weder Matthäus 7 noch 1: Korinther 5 sind auf die öffentliche Kritik an abweichenden Lehren von Mitchristen anzuwenden, denn es geht weder darum, den Charakter oder die Motive einer Person an sich anzugreifen, noch ist die Auseinandersetzung mit abweichenden Lehren bestimmter Personen schon eine Angelegenheit der Gemeindezucht. Die Bibel schließt das Richten nicht grundsätzlich aus, sondern formuliert klare Bedingungen, die daran gebunden sind.

Letztlich, zu leichtfertig und gedankenlos wird oftmals nicht mehr zwischen Richten und Prüfen unterschieden. Die Schrift allerdings tut dies ausdrücklich und ruft alle Christen auf:

[ads_custom_box title=“1. Thessalonicher 5, 21″ color_border=“#e87e04″]Prüfet aber alles, das Gute haltet fest![/ads_custom_box]

Dieses Wort sagt Paulus im Zusammenhang mit Weissagungen in der Gemeinde zu Thessalonich, die es zu prüfen oder beurteilen galt. Es wäre unangemessen gewesen, mit dem Verweis, es sei lieblos, andere zu richten, das Prüfen von Weissagungen zu unterlassen. Die Thessalonicher hatten nämlich mit der Irrlehre, der Tag des Herrn ist schon da, durch Wort [wahrscheinlich ein „Wort der Erkenntnis“ oder eine „Weissagung“] und durch Brief zu kämpfen (2Thes 2,2). Paulus stellt dieser falschen Lehre sein apostolisches Wort entgegen. Das Prinzip des Prüfens legt einfach Gottes Wort als Maßstab an des Menschen Wort an.

Für uns Christen heute, die sich nicht mehr von Weissagungen sondern alleine von Gottes Wort leiten lassen, besteht dieses Prinzip weiter. Wir müssen den Inhalt einer Lehre oder die Botschaft eines Verkündigers prüfen. Wer solches tut, richtet nicht seinen Bruder, sondern er ehrt Gott, weil er gehorsam ist. Gleichwohl sollte das Prüfen in Liebe geschehen und darf nicht mit rechthaberischer Kritik verwechselt werden. Prüfen heißt ferner niemals, die Motive eines anderen zu richten, denn „verurteilt nichts vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch das Verborgene der Finsternis ans Licht bringen und die Absichten [Motive] des Herzens offenbaren wird“ (1. Korinther 4,5).

2. Weise ihn zurecht unter vier Augen

Die zweite Bibelstelle, die regelmäßig als „Beweis“ angeführt wird, dass jegliche öffentliche Rüge an den Geschwistern im Glauben unerlaubt sei und zuerst das Gespräch unter vier Augen zu suchen sei, bevor öffentlich Kritik geübt wird, ist Matthäus 18:

[ads_custom_box title=“Matthäus 18, 15-17″ color_border=“#e87e04″]Wenn aber dein Bruder an dir gesündigt hat, so geh hin und weise ihn zurecht unter vier Augen. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder gewonnen. Hört er aber nicht, so nimm noch einen oder zwei mit dir, damit jede Sache auf der Aussage von zwei oder drei Zeugen beruht. Hört er aber auf diese nicht, so sage es der Gemeinde. Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, so sei er für dich wie ein Heide und ein Zöllner[/ads_custom_box]

Es ist schon erstaunlich, dass mitunter selbst bekannte Theologen, die es eigentlich besser wissen müssten, ausgerechnet diese Bibelstelle völlig aus dem Textzusammenhang reißen und umdeuten. Jesus spricht in diesem Abschnitt über Gemeindezucht und beginnt mit einer Situationsbeschreibung: Wenn aber ein Bruder an dir sündigt… Der Kontext ist eindeutig, es geht um einen Bruder, der sich gegen einen anderen Bruder versündigt. Folglich handelt es sich um persönliches Fehlverhalten und nicht um einen theologischen Irrtum oder Irrlehre. Ersteres gilt es im Gespräch unter vier Augen zu klären; gelingt dies nicht, schalte man ein oder zwei Brüder ein, und scheitert auch dieser Versuch, muss der Fall vor die Gemeinde gebracht werden. Ein Bruder, der schließlich die Ermahnung der ganzen Gemeinde verwirft, muss ausgeschlossen werden.

Man muss zwischen persönlichen und theologischen Fehlern zu unterscheiden wissen. Jesus spricht in Matthäus 18 von privater Sünde in der Gemeinde, wohingegen ein Buch oder eine öffentlich gemachte Aussage immer Öffentlichkeitscharakter hat. Jeder, der ein Buch schreibt oder eine öffentliche Aussage macht, verlässt den privaten Rahmen. In dieser Hinsicht ist Matthäus 18 auf eine solche Situation nicht anwendbar.

Wo Matthäus 18 nicht geboten ist

Ob man aus den Aussagen Jesu bezüglich der Gemeindezucht überhaupt ein „Gesetz“ machen sollte, ist neutestamentlich nur schwer vermittelbar. Paulus beispielsweise widerstand dem Petrus wegen seines Fehlverhaltens sogar öffentlich und scheute sich nicht einmal Barnabas beim Namen zu nennen (Galater 2, 11-14) und erwähnt dies noch dazu in einem Brief, der sich nicht an eine Privatperson richtete. Petrus kannte den Beschluss des Apostelkonzils (Apostelgeschichte 15, 7-29), der das mosaische Zeremonialgesetz als nicht bindend für die Heidenchristen erklärte (siehe auch Apostelgeschichte 10,10-17). Wider besseres Wissen weigerte sich Petrus, mit den Heiden zu essen und gesellte sich zu den judaistischen Gesetzeslehrern der Gemeinde. Das Handeln des Petrus stand in einem solch starken Gegensatz zur Wahrheit des Evangeliums und der Botschaft der Gnade, dass Paulus kein Gespräch unter vier Augen suchte und auch nicht ein oder zwei Brüder der Gemeinde hinzuzog, um bei Petrus einen Sinneswandel herbeizuführen, sondern er widerstand ihm augenblicklich ins Angesicht. Glücklicherweise hielt sich Paulus auch nicht an das Bibelwort Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet, denn sonst würde dieser Teil des Galaterbriefes heute in unserer Bibel fehlen.

Auch führte Paulus mit den Judaisten keine Dialoge, sondern schreibt eher schroff, sie sollen sich doch gleich verschneiden lassen (Gal 5,12). In Apostelgeschichte 15 wurde in der Gemeinde in Jerusalem heftig debattiert – und zwar nicht unter vier Augen. Warum? Weil es eben nicht um die persönliche Schuld eines Einzelnen ging, sondern um Lehrfragen und um die Reinheit des Evangeliums. Bei persönlichem Versagen sollen wir sanftmütig sein (Gal 6,1). Solchen aber, die falsche Lehren vertreten, soll, um Paulus zu zitieren, das Maul gestopft werden (Tit 1,11). Das ist eine deutliche Sprache, ganz im Gegensatz zu unserer pluralistischen Zeit, wo fast alles geduldet wird und die Irrlehrer überhand nehmen (2Petr 2,1). Die Bibel spricht ferner davon, dass man alles prüfen soll (1Thess 5,21-22), und der Herr lobt solche, die die (falschen) Apostel geprüft und erkannt haben (Offb. 2,2).

In Philipper 4,2 erwähnt Paulus Euodia und Syntyche, zwei Schwestern im Herrn, die offenkundig in einen Streit verwickelt waren. Über den Inhalt oder die Gründe der Differenzen schweigt die Bibel. Wie aus Vers 3 zu entnehmen ist, handelt es sich bei beiden Schwestern wohl um einflussreiche Glieder der Gemeinde, denn sie hatten an der Seite des Paulus für das Evangelium gekämpft. Vielleicht handelt es sich bei den zwei Frauen um jene Personen an der Stätte, wo die Juden in Philippi sich gewöhnlich versammelt hatten (Apg 16,13). Paulus ruft die Schwestern auf, sich zu versöhnen und die Einheit zu wahren. Wieder werden zwei Namen genannt in einem Brief, der an eine ganze Gemeinde gerichtet war und heute von allen Christen (und Nichtchristen) weltweit gelesen werden kann.

Paulus erwähnt im 2. Timotheusbrief gleich mehrere Brüder mit Namen. Phygelus und Hermogenes (2Tim 1,15) waren wahrscheinlich Mitarbeiter, die den Heidenapostel Paulus unter dem Druck der Verfolgung verlassen hatten. Hymenäus und Philetus waren von der Wahrheit abgeirrt und lehrten, dass die Auferstehung schon geschehen sei (2Tim 2,16-18). Paulus warnt vor ihnen, da sie den Glauben etlicher Leute umgestürzt hatten. Hätte sich Paulus an Matthäus 18 gehalten, wäre angesichts der Gefahr, die von diesen Irrlehrern ausging, zu viel Zeit verstrichen (vier-Augen-Gespräch…), um die Situation zu klären. Ein schnelles Handeln und eine konkrete Warnung vor Personen war offensichtlich der Lage angemessen. Und schließlich nennt Paulus in Kapitel 4 noch Demas, der die Welt mehr liebte und sich von Paulus und möglicherweise vom Glauben abwandte sowie Alexander, den Schmied, der die Verkündigung des Evangeliums behinderte (2Tim 4,10-15).

Der Apostel Johannes nennt in seinem dritten Brief einen gewissen Diotrephes, der

[ads_custom_box title=“3. Johannes 9-11″ color_border=“#e87e04″]bei ihnen der Erste sein möchte, und uns nicht annimmt. Darum will ich ihm, wenn ich komme, seine Werke vorhalten, die er tut, indem er uns mit bösen Worten verleumdet; und damit nicht genug, er selbst nimmt die Brüder nicht auf und verwehrt es auch denen, die es tun wollen, und stößt sie aus der Gemeinde hinaus[/ads_custom_box]

Der Jünger, den Jesus liebte, kündigt im Voraus an, dass er ihm seine Werke vorhalten wird. Auch hier könnte man von Johannes einfordern, er sollte Matthäus 18 beherzigen und das persönliche Vergehen des Diotrephes unter vier Augen zur Sprache bringen usw. Doch nichts dergleichen lesen wir in einem Brief, der vom Heiligen Geist inspiriert ist. Eine mögliche Erklärung, dass Johannes in einem Brief offen die Probleme anspricht und Namen nennt, könnte sein, dass es sich in diesem Fall nicht nur um eine persönliche Fehde zwischen Diotrephes und Johannes handelte, sondern dass die gesamte Gemeinde durch das herrschsüchtige Verhalten einer einzigen Person gefährdet war. Das Böse schien in der Gemeinde Oberhand zu gewinnen (siehe Vers 11), höchste Alarmstufe für Johannes, schnell und entschieden einzugreifen.

Unterscheidungsvermögen fördern

Eine der Aufgaben der alttestamentlichen Priester bestand darin, das geistliche Unterscheidungsvermögen des Volkes zu fördern,

[ads_custom_box title=“3. Mose 10, 10″ color_border=“#e87e04″]damit ihr unterscheidet zwischen dem Heiligem und dem Unheiligem und zwischen dem Reinen und dem Unreinen[/ads_custom_box]

Das Volk sollte nicht nur den Unterschied zwischen Heiligem und Unheiligem kennen, sondern auch lernen zu unterscheiden (siehe: Hes 44,23) zwischen Heiligem und Unheiligem. Mit anderen Worten, sie sollten selbst in die Lage versetzt werden, Kriterien anzuwenden, die ihnen zeigten, ob etwas von Gott ist oder nicht. Spurgeon sagte einmal, dass es nicht schwer ist, zwischen dem Wahren und dem Unwahren zu unterscheiden, sondern es ist der feine Unterschied zwischen dem, was wahr ist, und dem, was nahezu wahr ist, der am schwierigsten zu erkennen ist. Wer über die geistliche Frucht eines gesunden Urteilsvermögen verfügt, erkennt schon geringe Abirrungen von der biblischen Wahrheit und weiß, dass diese zunehmen und in Irrlehre münden können.

Eigentlich kommt in dieser Hinsicht den Leitern der Gemeinde eine besondere Aufgabe und Verantwortung in Bezug auf falsche Lehre zu. Sie sollen nicht nur durch Gottes Gnade Sorge tragen, dass die ihnen anvertraute Herde an Urteilsvermögen zunimmt, sondern sie selbst sind in erster Linie gerufen, den Wächterdienst zu verrichten. Leider geschieht heute oft das Gegenteil. Statt Wächter zu sein, werden viele zu Kritikern an jenen, die den biblischen Wächterdienst ernst nehmen. Jesaja beklagt, dass die Wächter Israels

[ads_custom_box title=“Jesaja 56, 9.10″ color_border=“#e87e04″]blind sind, sie wissen alle nichts, stumme Hunde sind sie, die nicht bellen können; sie liegen träumend da, schlafen gern[/ads_custom_box]

Und über die Hirten sagt Jesaja, dass sie

[ads_custom_box title=“Jesaja 56, 11″ color_border=“#e87e04″]nicht verstehen aufzupassen; sie alle wenden sich auf ihren eigenen Weg[/ads_custom_box]

Wächter müssen Sehende und Wissende sein, die ihre Stimme erheben, wachsam sind, verstehen aufzupassen und keine eigenen Wege gehen.

Paulus ermahnt die Brüder in der Gemeinde zu Rom:

[ads_custom_box title=“Römer 16, 17.18″ color_border=“#e87e04″]Gebt Acht auf die, welche Trennungen und Ärgernisse bewirken im Widerspruch zu der Lehre, die ihr gelernt habt, und meidet sie! Denn solche dienen nicht unserem Herrn Jesus Christus, sondern ihrem eigenen Bauch, und durch wohlklingende Reden und schöne Worte verführen sie die Herzen der Arglosen[/ads_custom_box]

Die Brüder sollen Acht geben (gr. SKOPEO) auf diejenigen, die Trennungen bewirken. Das Griechische SKOPEO bedeutet „besonderes Augenmerk richten auf“, „genau untersuchen“. Welchen Sinn soll dieser Vers machen, wenn diejenigen, die Trennungen und Ärgernisse bringen, nicht mit Namen genannt werden dürfen. Wie soll man jemanden meiden, wenn man nicht weiß, um wen es sich handelt?

Wie unrealistisch die Forderung mancher Brüder ist, keine Namen in der Öffentlichkeit zu nennen, zeigt die Kirchengeschichte. Charles Spurgeon, der Prinz der Prediger, sprach sich gegen die „Puseyiten“ aus. Bei den Puseyiten handelte es sich um die Anhänger Edward Puseys, ein Oxford Professor der Anglikanischen Kirche, der katholisierende Tendenzen in seiner Kirche förderte.

Kampf um die Wahrheit: Ein großer Teil des Neuen Testaments

Harry Ironside (1876-1951), Pastor der Moody Memorial Church und Bibellehrer, schrieb vor Jahrzehnten:

Oft wird von einigen, die gesund im Glauben sind, der Einwand erhoben, dass das Aufdecken des Irrtums gänzlich negativ sei und keine wahre Erbauung bringt. In letzter Zeit wandte sich der lautstarke Protest gegen jegliche negative Lehre. Aber die Brüder, die eine solche Haltung einnehmen, vergessen, dass ein großer Teil des Neuen Testaments, sowohl die Lehre unseres Herrn selbst als auch die Schriften der Apostel, das Merkmal genau dieses Dienstes aufweist – d.h., er zeigt den satanischen Ursprung und folglich die verwirrenden Früchte der Verkündigung irrtümlicher Lehrsysteme auf, die Petrus in seinem zweiten Brief eindeutig als ‚verfluchte Irrlehren‘ bezeichnet.10

Ein Wort der Warnung

Trotz der Wichtigkeit des biblischen Wächterdienstes und der Notwendigkeit, das Urteilsvermögen unter Gottes Volk zu schärfen, muss um der Ausgewogenheit willen ein Wort der Warnung ausgesprochen werden. Manche verwechseln den Dienst des Wächters und Apologeten – des Verteidigers des biblischen Glaubens – mit Rechthaberei und Besserwisserei. Jeder, der nicht mit ihrer Sicht der Dinge übereinstimmt, gilt diesen Personen schon als verdächtig oder gar als Irrlehrer. Hier gilt es zu unterscheiden zwischen Apologeten im Geist Christi, die andere Überzeugungen stehen lassen können, aber nichtsdestoweniger bei offenkundigen Abweichungen von den zentralen Lehren des Evangeliums oder dem Eindringen völlig falscher religiöser oder philosophischer Lehren entschieden und deutlich ihre Stimme erheben, und den „Apologeten in eigener Sache,“ die nur ihre theologische Überzeugung gelten lassen und jede andere Sichtweise verwerfen.

Überdies sollte sich jeder Apologet stets der Gefahr bewusst sein, dass Kritik üben und einen kritischen Geist haben oft sehr nahe beieinander liegen. Prüfen oder kritisch sein, ist keine Sünde, solange es in der Liebe geschieht. Ein kritischer Geist hingegen sieht fast alles und jeden sofort kritisch und scheut sich nicht, dem Bruder allzu schnell schlechte Motive zu unterstellen. Ein kritischer Geist findet immer irgendetwas auszusetzen. Wer nur noch lieblos und hart gegen andere polemisiert, wandelt nicht in der Demut Christi. Christus konnte die Händler mit einer Peitsche aus dem Tempel vertreiben, Er konnte aber auch über sein widerspenstiges Volk weinen. Wer nur die Peitsche schwingt, aber keine Träne über die Verlorenheit der Menschen vergießen kann, ist noch weit vom Ebenbild Christi entfernt. Wer aber nur weinen kann und nicht weiß, die Peitsche zu gebrauchen, dem fehlt der geistgewirkte Eifer für das Haus des Herrn und das Wort der Wahrheit.

Schließlich enthält das Neue Testament sowohl eine Reihe von Textstellen, die sehr deutlich zum Ausdruck bringen, dass es allen Gliedern der Gemeinde von Gott her geboten ist, die Verantwortung zur Beurteilung der Lehrer und der Lehren zu übernehmen (1Thess 5,21; 1Tim 1,3; 6,3-5; Tit 1,9-14; Hebr 13,9; 2Petr 2,1 usw.), als auch das Gebot, alles in der Liebe geschehen zu lassen (1Kor 16,14; Kol 3,14).

Nimm einen Stand ein – aber mit Gott an der Seite

Die Behauptung, jemand sei nur dann in der Liebe, wenn er nie prüft, kritisiert, ermahnt oder zurechtbringt, ist nicht haltbar. Letzteres ist nicht Liebe sondern ein verzerrtes Bild der Liebe, wie sie uns in der Bibel vorgestellt wird. Die Bibel spricht mindestens von drei Arten der Liebe.

Erstens, die Liebe zu Gott; zweitens, die Liebe zum Nächsten und drittens, die Liebe zur Wahrheit. Der reformierte Pastor und Buchautor Martin Lloyd-Jones war ein Mann, der Gott, die Menschen und die Wahrheit liebte. Auch er war nicht immer bequem, wenn er sich beispielsweise gegen manchen unbiblischen Aspekt der Evangelisationsmethoden Billy Grahams aussprach und eine Debatte unter Evangelikalen einforderte. Martin Lloyd-Jones war wie Spurgeon und Ironside ein Wächter der Wahrheit, der die Brüder auch bei Namen nannte, von denen er glaubte, dass sie von der Wahrheit des Evangeliums abzuirren drohten. „Der Doktor,“ wie ihn zahllose Christen nannten, schreibt:

Die Leute sagen, ‚Seid nicht negativ; lasst uns positiv sein; lasst uns wirklich nur das einfache Evangelium predigen.‘ Aber die Bibel ist voll von Negativem, voll von Warnungen und sie weist ständig auf schlimme Dinge hin. Wenn Sie in ihrem Inneren eine Abneigung gegen die Warnungen der Schrift und diese negativen Lehren verspüren, ist es offensichtlich, dass Sie durch die Listen des Teufels übertölpelt worden sind. Sie haben nicht realisiert, in welcher Lage Sie sich befinden…

Eines der ersten Dinge, die Sie in ihrem Christenleben und in Ihrem Glaubenskampf lernen müssen, ist: wenn Sie in der Lehre einen verkehrten Weg einschlagen, dann verlaufen auch alle anderen Aspekte Ihres Lebens falsch…

Mose musste ganz alleine stehen, als er nach seiner Begegnung mit Gott vom Berg herunterkam. Isoliert von den Mitmenschen einen Stand einzunehmen, aber Gott an der Seite, das ist die große Lehre des Alten Testaments in vielerlei Hinsicht. Und auch im Neuen Testament wird dies betont.11

Anmerkungen

1 John MacArthur, John MacArthur Studienbibel, CLV, Bielefeld, 2004, S.1316.
2 August Jung, Vom Kampf der Väter, Bundesverlag Witten, 1995, S.192.
3 Ebd.
4 Ebd., S.195.
5 Ebd.
6 Ebd., S.198.
7 Ebd., S.199.
8 Ebd., S.200.
9 Ebd., S.202.
10 Dr. Harry Ironside, Exposing Error: Is It Worthwile?
11 Dr. Martyn Lloyd-Jones, Heresies.

 

Quelle


Kommentare

Eine Antwort zu „Die Brüder/Schwestern beim Namen nennen“

  1. Avatar von Uta Schmidt
    Uta Schmidt

    Wie dankbar muss ich sein, wenn es jemand versteht Korrektur in mein Leben zu bringen, der ich abspüren kann, dass sie mir aufhilft. Solche Geschwister sind besonders achtenswert. Solche empfinde ich als echte Geschwister, Väter oder Mütter. Sollten wir ihnen nicht öfter Danke sagen, anstatt beleidigt zu sein, wenn sie es wagen uns die Leviten zu lesen. Sollten wir nicht endlich das Liebe zu nennen, was wirklich Liebe ist? Schönreden kann jeder, weise zurechtbringen können nur Gläubige, die der Wahrheit gehorsam sind. Hat Jesus nicht auch gesagt “ An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“? Wenn wir sie wertschätzen tragen wir viel zur Einheit bei, von der wir so gerne reden. Wenn wir Rat annehmen können signalisieren wir, dass wir noch lernfähig sind. Das ist das Zeichen, dass Demut unser Herz bestimmt. Da Gott dem Demütigen gnädig ist, ist es ratsam dass wir dem Verkläger keinen Raum geben. Nicht durch uns und nicht durch andere. Der Verkläger sollte entmachtet werden. Das ist ein Grund, dass wir unsere Bibel mit großer Sorgfalt lesen sollten um wirklich unterscheiden zu können. Das fängt immer bei uns selbst an. Buchstabieren wir die Bibel in unser Herz hinein, dann beginnt sie, uns zu erklären wer Gott wirklich ist: Unser aller Vater. Er privilegiert niemanden. Er erwartet, dass wir brüderlich miteinander umgehen.
    Wo das nicht möglich ist, sollte keine Zwangstoleranz erzwungen werden, wie es die Allversöhner wünschen. Denn wenn Differenzen nicht ausgetragen werden dürfen, da ist der geistliche Mißbrauch nicht fern. Es wäre gut sich um dieses Problem echt zu kümmern. Das macht Blinde sehend, und Taube hörend und Lahme gehend. Wehe denen, die Böse gut, und Gutes böse nennen.
    Wir brauchen die jenigen, die unterscheiden können und das auch noch in Liebe tun mehr als jemals zuvor. Eure Rede sei ein Ja oder ein Nein…..alles andere ist vom Übel.
    Ein verlorenes, wiedergefundenes Schaf wurde von dem guten Hirten wieder gefunden. Es macht sich Gedanken darüber welche Gräslein es fressen darf. Disteln sind auch nicht schlecht, man muss sie aber mit weichen Lippen fressen. Ein Milchschaf kann fast alles in Milch umsetzen. Selbstmitleid ist nämlich der grösste Feind, nicht der andere Bruder. Ertragt einander wie ich euch ertragen habe, ist einer der besten Ratschläge, die unser Herr für Überempfindliche hat. Mir half dieser Rat durch rauhe Zeiten. Nur wer es ausprobiert wird feststellen dass das funktioniert. Die Liebe zum Kreuz muss stärker sein als unser Stolz. Dann kann Friede beginnen. Das Böse ist am Kreuz gescheitert, und wird immerfort dort scheitern. Darum ist Nachfolge durch das Kreuz möglich. Das ist Einheit.

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