Seit ich im Jahre 1985 in meinem Buch „Dokumente der Unterwanderung“ veröffentlicht hatte, dass Zinzendorf Freimaurer gewesen sei, haben das geschäftstüchtige Prediger der schreibenden Zunft sofort begierig aufgenommen und gewerblich ausgeschlachtet. Seither kommt das Thema nicht zur Ruhe. Noch heute werde ich gefragt, ob ich mich nicht geirrt hätte wegen Zinzendorf. Nein, nach über 20 Jahren – ich habe mich mittlerweise ja weiterhin mit Zinzendorf beschäftigt – kann ich meine damaligen Aussagen nur bestätigen, ja muss erkennen, dass ich eigentlich noch viel zu harmlos geschrieben hatte.
Allerdings muss ich gegensteuern bei den Autoren, die von mir abgeschrieben haben und in ihrer Sensationshascherei manches durcheinander gebracht haben. So wollte Erich Brüning meine Angaben über Zinzendorfs Freimaurertum noch dahingehend erweitern, dass er sogar glaubte, dessen genaue Logenzugehörigkeit angeben zu können. Er stieß nämlich in dem Buch „Die Freimaurer“ von Eugen Lennhoff, dem Herausgeber des Internationalen Freimaurer-Lexikons, auf die auch mir bekannte Freimaurerliste der Wiener Loge „Aux trois canons“, in der ein gewisser Ludwig Graf von Zinzendorf aufgeführt ist. Brüning hell entzückt über den Fund, verarbeitete diese „Enthüllung“ gleich für den Schwengeler Verlag. Das Ganze hat nur einen Schönheitsfehler: Es handelt sich in jener Freimaurerliste gar nicht um den Herrnhunter Ludwig Nikolaus von Zinzendorf, sondern um dessen Neffen Ludwig Friedrich von Zinzendorf, einen österreichischen Staatsmann am Hofe Maria Theresias, der zur Katholischen Kirche übergetreten war und gleichzeitig Mitglied jener Freimaurerloge „Aux trois canons“ in Wien war. Mittlerweile hat der Schwengeler Verlag wohl bemerkt, auf was er sich da eingelassen hatte; denn Brünings Buch ist dort nicht mehr erhältlich.
Gewiss war auch der Herrnhuter Graf Zinzendorf durch und durch Freimaurer, wie ich immer wieder nachgewiesen habe. Die Freimaurerei lag ihm einfach im Blut. Von Jugend auf gründete er einen Geheimbund nach dem anderen: Tugendsklaven, Senfkornorden, Bund der Vier, Specialbund usw. usw. Aber Zinzendorfs Freimaurerei war von der mystischen Richtung der Philadelphen (Philadelphische Gesellschaft), denen er sich angeschlossen hatte und nach deren Vorbild er weitere Geheimbünde gründete.
Zinzendorf war außerdem Herrenmeister des geheimen Senfkornordens (Order of mustard seed). Was eine englische Freimaurer-Enzyklopädie dazu schreibt, habe ich im Anhang veröffentlicht. Die Die Brüder-Unität in Bad Boll schrieb mir zwar in einem Brief om 21.01.1985, dass der Senfkornorden nur eine Jugendidee Zinzendorfs gewesen und längst erloschen sei. Doch das stimmt nicht. In Wirklichkeit wurde der Senfkornorden 1708 in Londen gestiftet und von Zinzendorf zunächst als jugendliche Schwärmerei übernommen. Später, wahrscheinlich 1739 schloss er sich ihm an. Nachweisbar ist der Senfkornorden z. B. noch im Jahre 1740, als in Büdingen dessen englische Ordensregeln auf Deutsch erschienen. Die Kapitelsitzungen des Ordens wurden alljährlich in der Schlosskapelle zu Gnadenstadt abgehalten. So schreibt das alte Leipziger Freimaurer-Lexikon von 1900. Ob der Senfkornorden, der gemäß seinem Selbstzeugnis äußerst geheim arbeitete, noch heute besteht, müsste überprüft werden anhand von Nachforschungen, z. B. im Kirchen- und Stadtarchiv von Büdingen und Gnadenstadt und besonders im Schloßarchiv Büdingen.
Genauso steht es um den Geheimbund der Böhmischen Brüder des Jan Comenius. Zinzendorf wurde damals unter der Handauflegung des letzten Bischofs David Jablonski in die Sukzessionskette aufgenommen und trat damit Jablonskis Nachfolge als Bischof der Böhmischen Brüder an. Wer aber wurde Zinzendorfs Nachfolger? Meines Erachtens ist es gut möglich, dass der freibischöfliche Betrieb sich fortgesetzt hat und noch heute besteht. Wenn man bedenkt, dass es allein in der Bundesrepublik Deutschland mindestens 3000 evangelische Pfarrer gibt mit der geheimen Weihe eines Freibischofs (idea 47/86), ist das gut denkbar.
Zinzendorf lehnte jedoch die reguläre, d. h. die von der englischen Mutterloge anerkannate Freimaurerei ab, weil sie zu deistisch und liberal war. Ja, er verspottete sie sogar, indem er als Antwort auf die damals verbreiteten Freimaurer-Dukaten extra die Herrnhuter Spott-Dukaten prägen ließ. Soviel zu Erich Brüning und seinem verwechselten Zinzendorf.
Ein anderer Prediger, dessen Namen ich hier nicht nennen möchte, machte den Jesuiten-General Ignatius von Loyola zum eigentlichen Gründer des Illuminatenordens, weil er die mystischen Illuminaten des 16. Jahrhunderts (spanisch: Allumbrados), mit denen Loyola anfänglich Berührung hatte, mit dem aufklärerischen Illuminatenorden des Adam Weishaupt aus dem 18. Jahrhundert verwechselte. Beide haben völlig gegensätzliche Ziele und nicht das geringste miteinander zu tun. Illuminaten war damals ein gern gebrauchtes Wort, weilin der Lateinischen Bibelübersetzung (Vulgata) die Christen als illuminati (Erleuchtete) bezeichnet werden:
Rememoramini autem pristinos dies, in quibus illuminati magnum certamen sustinuistis passionum (Hebräer 10,32).
Sensationshascherei will nur den Umsatz ankurbeln und neigt deswegen immer zu Übertreibung und Unwahrheit. Diese reißerische Art von Aufklärung ist nicht angetrieben von uneigennütziger Hirtenliebe zu den Schafen, sondern von schändlicher Geldgier und der Hauptsorge, dass der eigene Name bekannt gemacht, ausgebreitet und herumgereicht werde, wozu sich die Verlage bestens eignen.
Trotzdem halte ich es auch hierin mit dem Apostel Paulus (Philipper 1, 18) und will mich darüber freuen, wenn nur aufgeklärt wird über Ökumene und Antichrist, es sei aus Geldgier oder in Lauterkeit. Wenn sie es tun aus unlauteren Motiven, werden sie das einst vor GOTT verantworten müssen.
Anhang
Quelle: Glaubensnachrichten November 2008, S. 3f.
Bildnachweis:
Von Unbekannt – aus dem Buch Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, Leipzig 1854, herausgegeben von Ludwig Bechstein, vergleiche Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen (Visual Library); Foto von portrait.kaar.at, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=826201
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