LALEWUm die Bibelstelle in Apostelgeschichte 2,4 Und sie wurden alle vom HEILIGEN GEIST erfüllt und fingen an, in anderen Sprachen zu reden, wie der GEIST es ihnen auszusprechen gab richtig zu verstehen, ist es notwendig den Begriff „reden“ in allen seinen Facetten zu erkennen. Das griechische Wort für „reden“ lautet LALEW (= LALEO) und hat ein sehr breites Bedeutungsspektrum. Wissenschaftliche Nachschlagewerke bestätigen, dass mögliche Übersetzungsvarianten von LALEW „lallen“, „schnattern“, „plappern“ sind. Deshalb möchte ich mich zunächst einmal mit dem Sinn des Begriffes „lallen“ beschäftigen. Der Duden definiert „lallen“ wie folgt:

1. mit versagender Zunge, undeutlich artikulierend sprechen; undeutlich artikulierte Laute hervorbringen: der Säugling lallt; der Betrunkene konnte nur noch lallen.

2. lallend sprechen, sagen: unverständliche Laute, Wörter lallen. (Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 5. Aufl. Mannheim 2003).

Ein anderes Wörterbuch ergänzt:

[tds_info]Lallen = unartikuliertes Sprechen in kurzen, vokalbetonten Lautketten. (InfoBitte Universal-Lexikon 2003)[/tds_info]

 1.       LALEW

LALEW und seine Verwandten wie lat. LALLUS das Trällern der Amme, LALLARE inden Schlaf lullen, deutsch lallen, ahmen die unbeholfenen Laute der kleinen Kinder nach. Die Anwendung des Wortes auf die Sprache Erwachsener ist daher entweder gemütlich oder verächtlich: plaudern, schwatzen, in leichtem Rausch. So tritt es in Gegensatz zum vernünftigen, normalen Reden (LEGEIN). So kann man unter LALEW auch die tierischen Laute im Gegensatz zur Menschensprache und die Klänge von Musikinstrumenten verstehen.

LALEW kann aber auch ohne Nebenklang vom Sprechen gesagt werden, wenn es mehr auf das Klangliche als auf das Verstehen ankommt (z. B. vom weinenden kleinen Kind, das noch nicht Worten ausdrücken kann, was ihm fehlt. In den Komposita ist in der klassischen Zeit die Bedeutung immer „schwatzen“, „plaudern“ (Debrunner in: Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Band IV 1990, S. 75).

Andere lexikalische Einträge bestätigen die Aussagen des obigen Standardwerkes:

[tds_info]LALEW imitiert, wie „lullen“, ein kindisches Plappern; es bedeutet also „schwatzen“, „plappern“. Es wird auch für Tierstimmen und Töne aus musikalischen Instrumenten verwendet. In Bezug auf Rede kann es eher ein Geräusch als ein bedeutungsvolles Sprechen sein, kann aber auch die Redefähigkeit bezeichnen. Im Kompositum bedeutet es immer „plappern“.  (Theological Dictionary of the NT, Seite 505-6).[/tds_info]

[tds_info]LALEW: sprechen; sich äußern, fähig sein zu sprechen (oder auch nur zu „lallen“, oder einen Laut von sich geben), und zwar meist in den artikulierten Äußerungen menschlicher Sprache, im Kontrast zum Fehlen solch einer Äußerung, sei es weil man schweigt, sei es weil man unfähig ist zu sprechen (wie z.B. die Babys, die Tiere oder der Stumme). Es geht dabei nicht so sehr darum was man sagt,  sondern dass man überhaupt etw. von sich gibt. (Griechisch/Deutsch Strong’s Lexikon 1995)   [/tds_info]

Das Schul- und Handwörterbuch von W. Gemoll, das in Österreich mit Bescheid des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Sport vom 20. Oktober 1989 (ZI.42.041(1-I/9/89, gemäß § 14 Abs. 2 und 5 des Schulunterrichtsgesetzes, BGB, Nr. 472/86) und gemäß dem Lehrplan 1989 als für den Unterrichtsgebrauch an Gymnasien für die 6. – 8. Klasse im Unterrichtsgegenstand Griechisch geeignet erklärt wurde, enthält folgende Angaben zu LALEW:

[tds_info]Lallen, schwatzen, reden.
(Vretska: Schul- und Handwörterbuch,S.464).[/tds_info]                                                                                                               

[tds_info]LALEW: to utter a sound (cf. (onomatop.  la-la,etc.) German lallen), to emit a voice make oneself heard; hence to utter or form words with the mouth, to speak, having reference to the sound and pronunciation of the words and in general the form of what is uttered. while lego refers to the meaning and substance of what is spoken; hence lalei/n is employed not only of men, especially when chatting and prattling, but also of animals (of birds, Mosch. 3, 47; of locusts, Theocritus, 5, 34; lalou/si me,n, ouv frazousi de,, of dogs and apes, Plutarch, mor. ii., p. 909 a.), and so of inanimate things (as trees, Theocritus, 27, 56 (57); of an echo, Dio C. 74, 21, 14). (Thayer’s Greek Lexicon)[/tds_info]

Das “Großwörterbuch Altgriechisch” von Langenscheidt schreibt zum Begriff LALEW folgendes:

[tds_info]Lalew (Lalos) = lallen, plaudern, schwatzen, plappern, auch zwitschern, überhaupt reden, sprechen, sagen, verkündigen, aussprechen, lehren”. Unter dem Verweis LALOS ist folgendes zu lesen: „geschwätzig, plauderhaft, redselig. Etymologie: tönen (redupliziert tonmalend); vgl. sanskritisch lalalla – Laut eines Lallenden, lt. lalare, nhd.: lallen; lalaeo, lalageo, lalia (Langenscheidts Großwörterbuch Altgriechisch, S. 415).[/tds_info]

Das Wörterbuch von W. Pape (1807 – 1854) bietet neben den Übersetzungen Angaben zur Etymologie, zum Bedeutungswandel und zur Phraseologie. Sein besonderer Vorzug liegt im detaillierten und übersichtlichen Nachweis der Bedeutungsschattierungen einzelner Stichwörter und grammatischer Konstruktionen. Unter dem Stichwort LALEW ist folgendes zu lesen:

[tds_info]LALEW, (lallen) viel reden, schwatzen, auch von unarticulirtem,undeutlichem Schreien,……… (Pape: Griechisch-Deutsch, S. 52464 – vgl. Pape-GDHW Bd. 2, S. 9)[/tds_info]


2. „Lallen“ (Etymologie)

Ein weiterer bedeutender Punkt dieses Begriffes liegt in der Tatsache, dass dieses Wort nicht nur mit “lallen” übersetzt wird, sondern als Lehnwort für „lallen“ in die deutsche Sprache aufgenommen wurde.

Ich möchte mich dabei auf zwei etymologische Wörterbücher beschränken:

[tds_info]Lallen: Das Verb (mhd. lallen; entsprechend schwed. lalla, dän. lalle) beruht mit (elementar)verwandten Wörtern in anderen idg. Sprachen auf einem lautmalenden, kindersprachlichen „lal(l)a“, vgl. z. b. griech. lalein (Hervorh. vom Verf.) „schwatzen“, lat. lallare „in den Schlaf singen“, russ. lala „Schwätzer“ (Drosdowski, Günther: Etymologie – Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache 2. Aufl. (Duden), S. 401).[/tds_info]

[tds_info]Lallen: mhd. lallen, lellen, ahd. lalon. Lautnachahmung des Kinderlallens wie in nschw. lalla und außergermanisch lallare „trällern“, gr. lálos „geschwätzig“, gr. laléo (Hervorh. v. Verf.) „ich schwatze“, ai. Lalalla „Interjektion des Lallens“, lit. lalúoti „lallen“, russ. lála „Schwätzer“ (Seebold, Elmar: Kluge – Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 24. Aufl. (DeGruyter) Berlin 2002)[/tds_info]

 

 3.       APOFQEGGOMAI

Das Wort APOFQEGGOMAI (= APOPHTHEGGOMAI) kommt ebenfalls in Apostelgeschichte 2,4 vor:

[ads_custom_box title=“Apostelgeschichte 2, 4″ color_border=“#e87e04″]Und sie wurden alle vom HEILIGEN GEIST erfüllt und fingen an, in anderen Sprachen zu reden, wie der GEIST es ihnen auszusprechen gab.[/ads_custom_box]

[tds_info]APOFQEGGOMAI hat in der gesamten griechischen Literatur neben dem NT nicht die Bedeutung eines umgangssprachlichen Begriffes, sondern ist ein Wort der gehobenen Sprache. In der außerbiblischen Literatur wird dieser Begriff auch für die kurzen und abgehackten (aber auch treffenden) Aussprüchen der Weisen, der Beschwörer oder der Orakelweissager benutzt. Im neutestamentlichen Sprachgebrauch bedeutet es frei heraus verlauten lassen, (her)aussprechen, etw. frei heraus (und laut) erklären, daher: mit Begeisterung reden (z. B. Hes 13,9.19; Mi 5,11; Sach 10,2; Apg 2,4.14; 26,25) (Rienecker, Fritz: Sprachlicher Schlüssel zum Griechischen Neuen Testament, S. 253; Kautz, Gerhard: Griechisch/Deutsch Strong’s Lexikon).[/tds_info]

Hier wird der Unterschied deutlich: Der HEILIGE GEIST benutzt den Mund der Jünger (nichtintellektuelles Reden – nur die Sprachwerkzeuge werden benutzt) bei LALEW, während APOFQEGGOMAI die verständliche (und begeisterte) Rede meint.

 

 4.  Der Kontext

 Es ist deutlich geworden, dass der Begriff LALEW sehr vielseitig ist:

[tds_info]„lallen“, „schnattern“, „plappern“[/tds_info]

[tds_note]in der außerbiblischen Literatur: von Vögeln: „zwitschern“; „zirpen“[/tds_note]

[tds_note]von leblosen Dingen: (unartikulierte) Laute oder Geräusche von sich geben: 1. Mo 4,10; Joh 12,29; Hebr 11,4; 12,24; Offb 4,1; 10,3.4[/tds_note]

von Personen:

intransitiv (=Ein Zeitwort d. nicht zielgerichtet ist, weil kein Objekt notwendig ist (z.B.: sitzen: ==> Ich sitze.):  

[tds_info]reden (können), seine Stimme hören lassen; artikuliert sprechen; etw. (von sich) vernehmen lassen; sich äußern. Mt 9,33;Mk 7,35; Lk 8,49; Joh 4,27; Apg 13,45; 28,25; Röm 7,1 uva.

transitiv (= ein Zeitwort ist dann transitiv, wenn es zielgerichtet auf ein Objekt ist (z.B.: nehmen: Ich nehme… Was? ==> Ich nehme einen Apfel); und wenn es ins Passiv gesetzt werden kann: (nehmen ==> Pass.: genommen werden):    

etw. verkündigen, mitteilen, sagen, vorbringen; mit Worten seine Gedanken mitteilen.1Mo 18,19; Sach 8,16; Mt 12,36; 13,3; Lk 12,3; Joh 6,63; Eph 4,25 uva.[/tds_info]

Daraus folgt, dass für die jeweilige Übersetzung der Textzusammenhang ausschlaggebend ist. Schauen wir uns die relevanten Verse an (d. h. die Verse, die eine Reaktion der Umstehenden aufzeigen. Denn es ist doch ein Unterschied, ob die Jünger etwas verständlich reden oder ob sie undeutlich artikulierte Laute hervorbringen). An der Reaktion der umstehenden Diaspora-Juden können wir die jeweilige Bedeutung des Begriffes „LALEW“ erkennen.

[ads_custom_box title=“Apostelgeschichte 2, 5-12″ color_border=“#e87e04″]Es wohnten aber in Jerusalem Juden, gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als nun dieses Getöse entstand, kam die Menge zusammen und wurde bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. Sie entsetzten sich aber alle, verwunderten sich und sprachen zueinander: Siehe, sind diese, die da reden, nicht alle Galiläer? Wieso hören wir sie dann jeder in unserer eigenen Sprache, in der wir geboren wurden? Parther und Meder und Elamiter und wir Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadocien, Pontus und Asia; Phrygien und Pamphylien, Ägypten und von den Gegenden Libyens bei Kyrene, und die hier weilenden Römer, Juden und Proselyten, Kreter und Araber – wir hören sie in unseren Sprachen die großen Taten Gottes verkünden! Und sie entsetzten sich alle und gerieten in Verlegenheit und sprachen einer zum anderen: Was soll das wohl sein?[/ads_custom_box]

Wenn man diesen Abschnitt berücksichtigt, wird man ohne Zweifel zu dem Schluss kommen, dass die Apostel in verständlichen Sprachen gesprochen haben.

[ads_custom_box title=“Apostelgeschichte 5, 13″ color_border=“#e87e04″]Andere aber spotteten und sprachen: Sie sind voll süßen Weines![/ads_custom_box]

Dieser Bibelvers bezeugt, dass die Zuhörer die Jünger für betrunken hielten und deshalb ihren Spott trieben. Aus der Reaktion dieser Zuhörer folgt, dass die Jünger undeutlich artikulierte Laute hervorgebracht haben (wie ein Betrunkener). Die Zuhörer haben die unverständliche Laute der Jünger gehört und ihre Witze darüber gemacht, dass sie angeblich

[ads_custom_box title=“Apostelgeschichte 5, 13″ color_border=“#e87e04″]voll süßen Weines[/ads_custom_box]

sind.

5. Resultat

Wir können daher als Resultat festhalten, dass die Jünger in verständlichen Sprachen gesprochen und unverständliche Laute von sich gegeben haben!


6.       Epilog

Es gibt im klassischen Griechisch knapp 30 verschiedene Wörter, die mit „sprechen“, „lehren“, „verkünden“ übersetzt werden können. Manche von ihnen haben verschiedene Schattierungen ihrer Bedeutung, die sich in der Übersetzung widerspiegeln können, aber nicht alle. LALEW  kann in der Tat verschiedene Bedeutungsvarianten haben: „lange reden“, „fragen“, „diskutieren“, „widersprechen“, „schwatzen“, „lallen“.

Wie die anderen Verben kann LALEW die Handlung eines Sprechens von etwas ziemlich Wichtigem bezeichnen. Aber von allen Verben, die mit „sprechen“ übersetzt werden können, meint nur LALEW auch die einfache „Rede“. Dieses Wort kann ein kindisches Plappern imitieren; es bedeutet also auch „schwatzen“, „plappern“.

Wenn der Übersetzer sich von Beginn an sich ausschließlich auf eine bestimmte Übersetzung festgelegt hat (z. B. „reden“ oder „lallen“) besteht die Gefahr, dass das große Bedeutungsspektrum völlig ignoriert und der Kontext ausgeblendet wird, in dem sich ein Wort oder Satz befindet und den Sinn beeinflusst. Ein Wort hat eben einfach nicht eine immer gleiche, starre und vom Zusammenhang unabhängige Bedeutung.

Zum Abschluss möchte ich darauf hinweisen, dass dieses Wortstudium nicht das Resultat erbracht hat, LALEW jetzt mit „lallen“ statt mit „reden“ zu übesetzen. Der Aufsatz zeigt, dass es dabei nicht um ein „entweder-oder“ sondern um ein „sowohl-als auch“ geht.

 

Verwendete Literatur:

Kittel, Gerhard: Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Band IV, Stuttgart/Berlin/Köln, Studienausgabe 1990

Bromiley, Geoffrey: Theological Dictionary of the NT

Vretska, Karl (Hrsg.): Griechisch-deutsches Schul- und Handwörterbuch von Wilhelm Gemoll, 9. Aufl. (Schulbuch-Nr. 0160), Zug/Schweiz (HPT-Medien) 1965

Kautz, Gerhard: Griechisch/Deutsch Strong’s Lexikon 1995 (Aufarbeitung für BibleWorkshop von Karl-Heinz Troyer)

Rienecker, Fritz: Sprachlicher Schlüssel zum Griechischen Neuen Testament, 19. Aufl. Giessen/Basel (Brunnen-Verlag) 1992

Pape, Wilhelm: Handwörterbuch der griechischen Sprache. Griechisch-deutsches Handwörterbuch, Bd. 1: Alpha – Kappa, Bd. 2: Lambda – Omega, bearbeitet von Max Sengebusch, 3. Auflage, 6. Abdruck, Braunschweig (Vierweg & Sohn) 1914

Menge, Hermann: Langenscheidts Großwörterbuch Altgriechisch (Altgriechisch – Deutsch) unter Berücksichtigung der Etymologie, 29. Aufl., Berlin/München 1997

Thayer’s Greek Lexicon

Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 5. Aufl. Mannheim 2003

Drosdowski, Günther: Etymologie – Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache 2. Aufl. (Duden), Dudenverlag Mannheim/Wien/Zürich 1989

Seebold, Elmar: Kluge – Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 24. Aufl.. (DeGruyter) Berlin 2002


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